Same-day-Versprechen von Onlinehändlern: Segen oder Fluch für die Kuriere?

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Es müsste doch klar sein. Onlinehändler versprechen zunehmend Lieferung noch am gleichen Tag, also müssen Kurierdienste mehr zu tun bekommen. Toll. Oder?

Seit August testet der Schweizer Onlinehändler Brack ein neues Angebot: Wer bis 15 Uhr bestellt, erhält sein Päckli noch am selben Tag zwischen 19 und 21 Uhr, und für diesen Service wird kaum fünf Franken Versandkosten erhoben. Vorerst gilt das Angebot erst in den Städten Zürich und Bern, weitere Städte sollen aber bald dazu kommen. Der Grund für diese räumliche Begrenzung ist rasch gefunden: Hier kann Brack auf die Dienste des nach dem Uber-Prinzip arbeitenden neuen Kurierdienstanbieters Notime zurück greifen.

Solcher Art neuer Kurierfirmen – sie selber sehen sich eher als Technologieentwickler – stützen ihr Geschäftsmodell oft darauf ab, dass alle Menschen gelegentlich unterwegs sind. Wer unterwegs ist, könnte doch auch auf seinem Weg noch ein Päckchen mitnehmen und dafür ein kleines Entgelt bekommen. Und wer viel unterwegs ist, oder gar erst überhaupt das Haus verlässt um im Sinne eines Nebenjobs viele solcher kleiner Transportaufträge anzunehmen, kann auch Velos und Kuriertaschen der Firma benutzen. Aber: Die Kuriere werden dabei fast immer als selbständige Kleinunternehmer angesehen. Ob zu Recht, werden wohl die Gerichte entscheiden müssen. Im Fall von Uber wurde von der Schweizerischen Sozialversicherungs-Anstalt zumindest vorläufig entschieden, dies wäre rechtswidrig. So lange dies aber weiter so gehandhabt wird ergeben sich fatale Folgen: Wer für solch eine Firma im Einsatz steht, muss von erhaltenen Lohn selber für eigenen Versicherungsschutz sorgen, selber die ganze Sozialabgabenlast tragen und bekommt weder Ferien- noch Krankheitstage bezahlt. Dies alles im Unterschied zur festen Anstellung bei einer „traditionellen“ Kurierfirma.

Logisch, dass diese Technologiefirmen mit ihren Personen- und Warentransportangeboten viel billiger Kurierfahrten offerieren können, als echte Velokurierbetriebe (oder Taxiunternehmen). Leider auf dem Buckel der Fahrerinnen und Fahrer. Ist dies den Auftraggebenden nicht bekannt oder schlicht egal? Fakt ist jedenfalls, dass auch die Preise im klassischen Kuriergeschäft dadurch massiv unter Druck geraten werden. Kundschaft wird verloren gehen. Wer die ohnehin geringen Margen im Kurierbusiness kennt, dem muss einleuchten, dass die Leidtragenden letztendlich die Kurier*innen aller Unternehmungen sein werden. Kurierfahrende, die für sich und ihre Familien auf faire Löhne angewiesen sind, werden es zunehmend schwieriger haben, solche Löhne zu erwirtschaften. Es geht halt nicht immer noch etwas billiger!

Anderen Onlinehändlern ist dies durchaus bewusst. Die Swisscom setzt beispielsweise für ihr Same-Day-Angebot auf die Zusammenarbeit mit bewährten Kurierpartnern. Nur haben dort die Kund*innen rund den doppelten Lieferpreis zu bezahlen. Dafür sind die ausführenden Kuriere zu fairen Bedingungen angestellt und abgesichert.

Es ist also alles andere als sicher, dass das Bedürfnis nach immer schnellerer Lieferung, auf lange Sicht für Berufs-Velokuriere nur toll ist. Wichtig ist, dass die Schweizer Velokuriere auf die sich ändernden Marktbedingungen reagieren. Es braucht einen eigenen Effort, sich neuen Technologien zu öffnen. Denn klar ist: In einem gesättigten Markt, der schon alle Bedürfnisse befriedigt, findet ein neuer Anbieter kaum mehr eine Nische. Einige Velokurierbetriebe haben dies erkannt und sollen dem Vernehmen nach daran arbeiten. Wir bleiben dran!

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